Es war einmal…
Wir nennen es Liebe, zu Beginn.
Behutsamer Reigen um eine unbestimmte Mitte.
Wir glauben an die Ewigkeit, um uns zu schützen.
Dann tritt die Gewohnheit in unseren Kreis und lässt den Tanz zum Trott verkommen.
Wir nennen es Geborgenheit, mittendrin.
Vertraute Wege durch abgefragte Gedankenfelder.
Wir glauben an die Sicherheit, um uns zu beruhigen.
Dann tritt die Langeweile in unseren Kreis und macht die Ewigkeit zur Marter.
Wir nennen es Hass, zum Schluss.
Schmerzhafter Gang über Gesprächssplitter.
Wir glauben an die Gerechtigkeit, um uns zu trösten.
Dann tritt die Wut in unseren Kreis und mordet das Miteinander.
Eine andere Frau
Ausbrechen möchte ich,
heraus aus meiner Haut.
Möchte Kleid und Zeit wechseln,
eine andere sein,
um mich selbst einmal sehen zu können.
Vielleicht wäre ich dankbar für ein paar Worte,
die ich mit mir wechseln könnte,
ohne gleich ich selbst sein zu müssen.
Bahnhof
Umschlagplatz für Illusionen.
Start in eine ungewisse Zukunft.
Endstation für eine zerstörte Gegenwart.
Schmutzige Toiletten schützen den hastig bezahlten Sex.
Stählerne Schließfächer bewahren alles eine zeitlang gegen Geld.
Trostlose Bahnsteige liegen sorgfältig nummeriert nebeneinander und warten.
Zigarettenkippen auf dem Boden des Zugabteils.
Bierdosen rollen im Gang.
Alles aussteigen.
Mensch ist schließlich jeder!
Irgendeine Party. Essen und Trinken, Small Talk in gelöster Stimmung. Alles ist gut, bis sie auftaucht. Sie, die alles verändernde Frage: „Was machen Sie eigentlich beruflich?“ Und kaum weiß mein smarter Gesprächspartner welcher Zunft ich angehöre, stecke ich auch schon in der Zwangsjacke. Für alle gängigen Klischees über die Psychologie im Allgemeinen und die Psychologen im Besonderen bin ich nun für den Rest des Abends die unfreiwillige Zielscheibe. „Jetzt muss ich aber verdammt aufpassen, was ich Ihnen sage“ ist das begehrteste Vorurteil. Es wird meistens als Starter benutzt und leider nie befolgt. Die Unterstellung „Sie können mich wahrscheinlich sofort durchschauen und mich dann ganz nach Ihren Wünschen manipulieren“ wird auch immer wieder gern genommen. Könnte ich das tatsächlich, hätte ich meinen Beruf sicher verschwiegen und es einfach getan. „Die Psychologie ist doch überflüssig wie ein Kropf, ein gutes Gespräch unter Freunden tut es doch auch!“ Nein für den Kropf und ja für die guten Gespräche mit Freunden. Hier kommt mein Gegenüber meistens so richtig in Schwung: „Psychologie beschäftigt sich doch mit den Menschen (für dieses Grundwissen bin ich dankbar), und Mensch ist schließlich jeder (auch wahr).“
Dann stellt er mir noch seinen gesunden Menschenverstand als Bürgen vor und beschuldigt mich gleich darauf, mitverantwortlich zu sein, wenn seine Ex-Freundin Margret in einem Psycho-Workshop völlig austickt und stundenlang nur noch heult. Nun sei ich ja wider Erwarten eine ganz nette Psychologin (vielen Dank, aber besser wir wechseln jetzt das Thema), und ob ich ihm nicht mal sagen könnte, was mit Margaretchen eigentlich los sei (das habe ich befürchtet). Seit er sich von ihr getrennt habe, verhalte sie sich besonders auffällig. Sie werde grundlos aggressiv, ja geradezu hysterisch, z.B. bei dem Angebot doch noch einmal miteinander zu schlafen, so in aller Freundschaft, versteht sich. Sein fragender Blick durchbohrt mich, und ich diagnostiziere ganz heimlich und ebenso unprofessionell, dass der Junge nicht alle Tassen im Schrank hat. Trotzdem gebe ich nicht auf und nach einer zweistündigen Gesprächsetappe können wir das Basislager aufschlagen: Psychologie ist doch nicht nur unnützes Gelaber, aber manchmal auch. Psychologie ist eine Wissenschaft, fast wie jede andere auch. Psychologie ist nicht gleich Psychotherapie, und ein Diplom-Psychologe ist nicht automatisch auch ein Psychiater (der hat nämlich zusätzlich noch Medizin studiert), und beide sind vor allem keine Hellseher. Soweit, so gut. Nun ist auch Margaret kein Thema mehr. Ein letztes provokantes Aufbäumen meines charmanten Laienpsychologen beim letzten Glas Bier gipfelt in der Frage:“ Was denken Sie über mich, wenn ich Ihnen verrate, dass ich ein Einzelkind bin und meine Mutter sehr innig liebe?“ „Schön für Sie und schön für Ihre Mutter“, sage ich und ahne gleichzeitig, dass mein Gegenpart hoffte, ich würde ihn eher als verhätscheltes Muttersöhnchen entlarven. Was er natürlich gar nicht ist. Oder doch?
Alkohol macht dick und doof
Betrunkene Frauen sind ganz bestimmt nicht cool und selbst die Bilder einer pressesüchtigen Paris Hilton und ihrer etwas pummeligeren Seelenschwester Britney Spears hinterlassen nur den Eindruck zweier dummer, angeschickerter Gören, die vor lauter Selbstverliebtheit ihre Unterhosen vergessen haben. Dabei war er noch nie so verbreitet und gesellschaftsfähig wie heute: der Alkohol. Ganz besonders Frauen und Jugendliche sind dabei Zielscheibe einer Industrie, die mit dem Vertrieb von Schnaps, Bier und Wein rauschhafte Gewinne einfährt. Maßlos sind auch die Konsumenten: gefeiert wird bis der Arzt kommt und der Alkoholgenuss braucht keinen Anlass mehr, Hauptsache der Stoff fließt in Strömen. So rühmen sich randvolle, pubertierende Jungen und Mädchen ihrer Alkoholorgien gern vor laufenden Kameras und die Politiker äußern im gleichen Sender doppelzüngig ihre Bedenken. Alkohol- und Tabaksteuer sind schließlich unverzichtbare Einnahmequellen unseres Staates.
Soviel zum aktuellen Zeitgeist, aber was ist das für eine Droge, die unser Land ganz legal überschwemmt und viel zu viele Menschen in den Untergang reißt? Alkohol ist definitiv ein Nervengift und nebenbei noch ein ganz gieriger Vitaminräuber. Alkohol ist der größte Feind eines klaren Kopfes, denn bei jedem Trinkgelage sterben Millionen Gehirnzellen unwiderruflich ab. Unsere grauen Zellen können Alkohol nicht entgiften und sobald die Abbauleistung der Leber überschritten ist, beginnt der Fusel die normalen Kommunikationssignale im Gehirn zu lockern und teilweise zu unterbrechen, das Gedächtnis verschlechtert sich. Und das ist wohl der wichtigste Grund, warum wir den Stoff so mögen – er lässt uns unsere Sorgen scheinbar vergessen. Unser absaufendes Gehirn gaukelt uns eine trügerische Leichtigkeit des Seins vor. Als krönenden Abschluss gibt´s am Morgen danach leider für viele einen fiesen Kater zum Frühstück. Der bohrende Brummschädel, die bleischweren Glieder und der übelflaue Magen sind reine Begleiterscheinungen der quälenden Entgiftungsarbeit des nächtlich geschundenen Körpers. Die seelischen Nachwehen nach durchzechter Nacht sind meistens noch schlimmer. Was kann peinlicher sein als ein Filmriss? Eine unangenehme Variante des totalen Blackouts lässt so manche Frau und mehr Männer morgens in einem fremden Bett neben einem gar nicht mehr so attraktiven Trinkpartner aufwachen. Ups! Und Pech ist auch, dass andere sich meist gut erinnern können, wie dämlich man sich selbst benommen hat in angesoffener Selbstüberschätzung.
Dabei macht es eigentlich keinen Unterschied, ob ein betrunkener Mann sich zum Affen macht oder eine abgefüllte Frau aus der Rolle fällt. Gesellschaftlich werden allerdings eher Frauen gnadenlos abgeurteilt, ein richtiger Kerl dagegen, der trinkt schon mal einen über den Durst. Ach so. Der Stoff aus dem die trügerischen Träume sind, hat aber noch ganz andere Tücken: Er macht richtig fett. Zum einen ist er selbst eine heftige Kalorienbombe und zum anderen weckt er noch zusätzlich den ganz großen Hunger. Dieser unkontrollierbaren Fresslust fallen mitternächtlich gern mal fettglänzende Pommes rot-weiß und Currywurst zum Opfer. Alkohol hat fast so viele Kalorien wie reines Fett, nämlich rund sieben Kalorien pro Gramm Alkohol. Und obendrein blockiert der vergorene Saft die gesamte Fettverbrennung im Körper, da dieser erstmal verzweifelt versucht den Alkohol loszuwerden. Und wer den nächsten Tag nicht spuckender Weise über der Toilette verbringen muss, den plagen wahrscheinlich neben dem Nachdurst noch wilde Gelüste von Rollmops bis Eisbein – nur salzig muss es sein, damit der Nährstoffmangel des Körpers behoben wird. Eine heftige Attacke für jede Figur. Unterm Strich ist die Zeche also beträchtlich, deshalb gilt beim Thema Alkohol auf jeden Fall das Motto: Weniger ist mehr!
Simplify your Kleiderschrank
Die Türen weit geöffnet wie ein gefräßiges Maul starrt mich mein Kleiderschrank an und präsentiert mir seine unordentlichen Innereien. Wo fange ich an? Endlich Ordnung schaffen, dieser Vorsatz peinigt mich besonders gern zum Jahresbeginn und fordert Vollstreckung. Angesichts des Chaos ineinander verschlungener Pullover und halbgehangener Hosen, alles dicht gedrängt wie in einer überfüllten U-Bahn, verlässt mich oft schon beim Start der Mut und ich schließe deprimiert die Türen. In den vergangenen Jahren habe ich bei mir ein spezielles Aufräummuster identifiziert: Es geht nicht an jedem beliebigen Tag, es kommt auf meine innere Befindlichkeit an. Aufräumen, aussortieren und vielleicht sogar wegschmeißen, das sind Fähigkeiten, die mir nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. An ganz verzagten Tagen bleibt es bei dem guten Vorsatz, an etwas mutigeren Tagen fange ich beherzt an, reiße alles aus dem überquellenden Schrank, sortiere von links nach rechts, kann mich aber letztlich von keinem einzigen Kleidungsstück trennen. Droht ein Abschied, weil ich das Teil nun seit Jahren nicht mehr getragen habe, fällt mir bestimmt eine Situation ein, die sich selbst für dieses hässliche Entlein noch eignet. Zum Beispiel könnte der alte, abgewetzte Ringelrolli bei der Gartenarbeit noch eine gute Figur machen. Ich habe aber keinen Garten.
Wenn ich dann stundenlang unentschlossen in den Textilien herumgewühlt habe, verlässt mich meistens schlagartig die Lust und ich stopfe den Rest zurück in die überfüllten Abteile. In der richtigen Stimmung allerdings pflüge ich mitleidlos durch die Klamotten, packe alles selten Getragene beim Kragen und stopfe es in eine Plastiktüte. Nach einem solchen Entrümpelungsrausch fühle ich mich wie befreit und gelobe diese harmonische Ordnung, Pullover gern nach Farben sortiert, nun für immer beizubehalten. Die prall gefüllten Tüten mit Abgelegtem wandern erst mal in den Keller, so nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ Das klappt auch meistens und nach einigen Wochen versenke ich diese Tüten dann unbesehen in der Altkleidertonne. Nur einmal habe ich den folgenschweren Fehler begangen, kurz noch mal einen Blick auf die Abschiedsware zu werfen. Die Hälfte des Inhaltes wanderte danach wieder in meinen Schrank für ganz besondere, nie eintretende Gelegenheiten. Und im Jahr danach traten sie dann wieder ihre Rundreise in der Plastiktüte an.
Alle Kleidungsstücke, die ich blindlings dem Container geopfert habe, sind auch komplett aus meinem Kopf verschwunden und können mich nie mehr durch ihre ungetragene Anwesenheit anklagen. Es gibt allerdings auch Fehl- und Frustkäufe, die meinen Körper nur einmal in der Umkleidekabine gesehen haben, und die wirklich zu schade für die Tonne sind. Mein Tipp, diese Bekleidung ebenfalls aussortieren und entweder einer ähnlich gebauten Freundin vorstellen, verschenken oder gegen ihre ungeliebten Sachen eintauschen. Etwas mehr Aufwand erfordert der Besuch eines Flohmarktes oder die Versteigerung im Internet, bringt dafür aber auch ein paar Taler ein. In jedem Fall gilt es eine ganz persönliche innere Grenze zu überwinden, sich zu fragen, warum kann ich mich so schwer trennen von alten Sachen, um Raum zu schaffen für Neues? Sind es wirklich alles ganz wichtige Erinnerungsstücke, Zeitzeugen zum Beispiel wie mein verschlissenes Erdbeerkleid, mit dem ich als Dreijährige am Ostseestrand flanierte? Oder handelt es sich vielleicht eher um eine versteckte Entscheidungsschwäche? Probieren geht auch hier über Studieren.
Die Kunst der Kritik
Der Satz „was ich Dir immer schon mal sagen wollte…“ ist meistens Startschuss für einen heftigen Streit und oft auch das Ende vieler Freundschaften. Da hat sich hinterrücks eine Psychomüllhalde aufgetürmt, ohne dass der Verursacher davon ahnte. Im Gegenteil, der hat munter weiter Mist gebaut, bis zu dem Moment, in dem Freund oder Freundin entschieden hat: Es reicht! Der Anlass mag nun nichtig sein, trotzdem explodiert ein nuklearer Sprengsatz und der angestaute Ärger fliegt dem Opfer schonungslos um die Ohren. Enttäuscht und geschockt fragt der Angeklagte berechtigt nach: „Und warum sagst du das erst jetzt?“ Ja, warum eigentlich? Meistens geschieht dies aus falsch verstandener Rücksichtnahme oder schlicht aus Feigheit. Erst wenn man die Nase so richtig voll hat, dann kracht es. Mit gut gemeinter Kritik hat das allerdings nichts mehr zu tun. Diese Killerkritik lässt dem Gegenüber kaum eine Chance auf Gegenwehr, denn sie kommt viel zu spät und zu hart. Eine effektive Möglichkeit diesen Kardinalfehler zu vermeiden, ist das Zählen bis drei – und das kann jeder. Benimmt sich mein geschätzter Mitmensch dreimal in ähnlicher Art daneben, dann wird Klartext geredet, auch wenn es schwer fällt.
Kritik mag eigentlich niemand, es sei denn jemand kritisiert uns im positiven Sinne. Dabei ist auch die negative Schwester unverzichtbar, denn aus Fehlern kann nur dann Fortschritt entstehen, wenn man aus ihnen lernt. Also muss uns jemand sagen was falsch gelaufen oder welches Verhalten von uns unangemessen oder störend ist. Allerdings macht auch hier der Ton die Musik. Ein lautstarker Angriff wird bestimmt nicht als konstruktive Kritik wahrgenommen. Also oberstes Gebot zu Beginn einer kritischen Ansprache: ganz ruhig bleiben. Und natürlich auch nicht zwischen Tür und Angel losbölken, quasi im Vorbeilaufen. Ein ruhiges Zimmer und genügend Zeit sind ebenfalls eine wichtige Basis für Aussprachen aller Art. Es gilt, den Gesprächspartner nicht gleich in eine ängstliche oder aggressive Abwehrhaltung zu drängen, sondern ihm zu ermöglichen, die Kritik in Ruhe anzuhören und sie zu überdenken. Dabei sind „immer“ und „nie“ bösartige Wortviren, die fast jeden Satz unverdaulich machen. „Öfter“ und „selten“ sind sozial viel verträglicher und erhöhen die Chance auf Fortsetzung des Konfliktgespräches. Sachliche Argumente unterstützen dieses Anliegen, haltloses Meckern treibt das Gegenüber in die Flucht.
Stammesgeschichtlich betrachtet, sozusagen auf Kleinhirnebene, wollen wir bei Attacken am liebsten draufhauen oder abhauen und nur unser modernes, vernünftiges Großhirn hindert uns daran. Manchmal auch nicht, aber zu diesen Menschen möchten wir eigentlich nicht gehören. Und jeder behauptet, Kritik sei unverzichtbar und zwar auf allen Ebenen der Gesellschaft, aber wenn sie dann kommt, sagt kaum jemand: „Ganz toll, da sagt mir mal einer ganz deutlich, was ich gerade verbockt habe“. Als Adressat für kritische Anmerkungen sollte man zunächst tief durchatmen und versuchen sich emotional etwas von der Situation zu distanzieren. Sich gedanklich neben sich stellen und das Geschehen von dort aufmerksam beobachten und zuhören. Also sich nicht gleich jeden Schuh anziehen, der einem hingestellt wird, sondern im Geiste probieren, ob der auch wirklich passt. Wenn ja, dann ist dies eine große Chance etwas Neues für sich zu lernen und so sollte Kritik auch gemeint und aufgefasst werden. Kritik soll ankommen, nicht umhauen!
Alptraum Scheidung
Heiraten ist keine Kunst, eine Scheidung schon. Was mit viel Liebe und Romantik auf Hochzeiten zelebriert wird, endet bei jeder 3.Ehe vor dem Scheidungsrichter. Aber wer den Bund für´s Leben schließt, macht sich definitiv keine Gedanken über eine mögliche Trennung. Es soll ja auch für immer sein und so lautet die christliche Trauungsformel entsprechend: „…bis der Tod Euch scheidet!“
Dabei ist es keine Schande, wenn Eheleute erst im Alltag merken, dass sie einfach nicht zusammenpassen und ihre Liebe nicht bis zu ihrem Lebensende ausreichen wird. Aber statt sich nun vernünftig wieder zu trennen, damit beide einen Neuanfang wagen können, verwandeln die einst Liebenden ihren Traum vom Eheglück in einen emotionalen Alptraum. Warum?
Schuld daran ist die Angst, die Angst vor dem Unbekannten. Wie soll das Leben weitergehen ohne den anderen, emotional und finanziell? Wie werden die Kinder reagieren, was werden die Eltern, Freude und Kollegen sagen? Alles scheint bedrohlich und anfangs unüberwindbar. Denn leider sehen in den wenigsten Fällen beide Partner zur gleichen Zeit ein, dass Ihre Ehe am Ende ist. In der Regel beginnen Streit und Stress, wenn ein Partner das Gefühl äußert, unzufrieden, nicht mehr glücklich zu ein. In diesen Momenten startet schlagartig die emotionale Achterbahn: Übelkeit und Herzrasen auf der körperlichen Ebene begleitet von dem Gefühl unattraktiv und nicht mehr liebenswert zu sein.
Es entsteht ein explosiver Gefühlscocktail aus Angst, Wut, Enttäuschung und Eifersucht, der konstruktive Gespräche unmöglich macht. Stattdessen wird auf der Schuldfrage rumgeritten und immer heftiger gestritten. Wenn dann noch eine andere Frau oder ein anderer Mann im Spiel ist, herrschen kriegsähnliche Zustände im trauten Heim. Vom Schweigeterror über lautstarke Auseinandersetzungen, Drohungen und Beleidigungen, die Palette der gegenseitigen Stressoren ist vielfältig. Aus dieser desolaten und oft monatelang anhaltende Stimmungslage heraus wird dann wiederholt mit Trennung und Scheidung gedroht. Und das ist natürlich keine gute Ausgangslage für ein friedliches Auseinandergehen.
Dabei wünschen sich eigentlich alle Betroffenen ein faires Beziehungsende, eine einvernehmliche Scheidung. In der Praxis entzündet sich allerdings schon an kleinsten Meinungsverschiedenheiten eine Trennungsschlacht, in der letztendlich alle Verlierer sind – bis auf den Anwalt. Aber diese wichtige emotionale Thematik gehört nicht zu den eigentlichen Aufgabenbereichen der Rechtsanwälte. Sie sollen vielmehr die rechtlichen Grundlagen einer Trennung vermitteln und dabei helfen, dass wieder auseinander gerechnet werden kann, was über die Jahre zusammengewachsen ist.
Für die Betroffenen ist das gesamte Trennungsprozedere meistens völliges Neuland, hier können sie sich nur auf ihren Anwalt verlassen. Aber mit ihrem angeschlagenen Gefühlsleben, mit ihrer Traurigkeit, Angst und Hilflosigkeit bleiben sie allein. Und Eltern, Freunde und Bekannte sind in dieser Situation häufig auch keine wirkliche Hilfe, weil sie sich in der Regel auf eine Seite schlagen und durch ihre Parteilichkeit die Gräben zwischen den Ehepartnern noch weiter vertiefen. Was tun in dieser verfahrenen Situation? Ganz wichtig ist es, sich rechtzeitig Hilfe von aussen zu holen, zum Beispiel einen Mediator, einen Coach oder einen Psycho-Therapeuten.
Ich arbeite seit 20 Jahren als Coach für Ehepaare und mache immer wieder die Erfahrung, dass sich die Paare viel zu spät externe Hilfe holen, manchmal erst dann wenn sie nervlich und körperlich total am Ende sind. Sie haben sich kaputt gekämpft, sich gegenseitig vielfältig emotional verletzt und beleidigt. Das führt dazu, dass sie sich tatsächlich später nicht mehr neutral oder gar freundschaftlich begegnen können, sondern nur noch Hass empfinden.
Das ist aber besonders wichtig, wenn gemeinsame Kinder in der Ehe entstanden sind. Sie sind häufig auch der Grund dafür, dass der Schritt zur Scheidung viel zu spät gemacht wird und zwar aus falsch verstandener Rücksicht auf den Nachwuchs.
Denn unabhängig vom Alter der Kinder, kriegen diese meistens sehr viel mehr mit vom quälenden Ehestress der Eltern, als diese ahnen. Und sie leiden immer darunter! Nicht selten fühlen sie sich sogar verantwortlich für die ganze Misere, weil sie sich die schlimmen Streitigkeiten von Vater und Mutter nicht anders erklären können.
Ein klarer Schnitt, eine freundliche, faire Trennung und ein gut geregeltes, getrenntes Familienleben ist für Kinder letztendlich leichter zu verarbeiten und zu akzeptieren als ein beständig, quälender Kleinkrieg, der sich feige hinter der Fassade einer scheinbar intakten Familie versteckt.
Schön wäre, wenn man zukünftig auch mal zu der einen oder anderen Scheidungsparty eingeladen wird, zu einem würdigen Abschiedsfest, dass beide Partner wieder in die Freiheit entlässt. Das wäre auch ein schönes und wichtiges Signal für gemeinsame Kinder, die daran lernen könnten, dass das Ende einer Ehe nicht zwingend auch die Zerstörung der gesamten Familie bedeuten muss. Und wenn man sich nicht über Jahre hinweg verletzt und beleidigt, belogen und betrogen hat, dann kann man sich sehr wohl auch nach einer Trennung gegenseitig schätzen, respektieren und vielleicht sogar befreundet sein.
Top Magazin Düsseldorf – Interview
Abwarten und Aushalten sind keine Alternativen
Warum sind Sie Psychologin geworden?
Die Ehe meiner Eltern war nicht glücklich. Es ging uns materiell sehr gut, aber ich spürte schon als Kind, dass da zwei Menschen aneinander verzweifeln. Ich konnte nie verstehen, warum sie es so lange miteinander ausgehalten haben! Meiner Neugier folgend bin ich erstmal Journalistin geworden und nach fünf Jahren als Redakteurin im Ressort „Psychologie“ der Zeitschrift „Brigitte“, habe ich in Aachen dann Psychologie studiert.
Sind Sie verheiratet?
Ja, ich lebe jetzt 20 Jahre mit meinem Traummann zusammen, die Hälfte davon als Ehepaar. Und seitdem traue ich mir auch zu Paare zu beraten, allerdings nicht gemeinsam, sondern Mann und Frau getrennt im Einzelcoaching. Das ist Teil meines eigenen Beratungskonzeptes „Insider Consulting“.
Was unterscheidet Ihr Coaching von einer Therapie?
Ein Coaching ist meistens nicht so zeitaufwendig wie eine Psychotherapie. Es muss nicht beantragt und genehmigt werden, da die Krankenkassen die Kosten auch nicht erstatten. Coaching hilft psychisch gesunden Menschen, die in eine Krise geraten sind – so wie es den meisten von uns im Laufe unseres Lebens mindestens einmal passiert. Denken Sie an berufliche Schwierigkeiten, an eine Scheidung, an eine schlimme Erkrankung wie Krebs oder an den unvermeidlichen Tod der Eltern – an all die negativen Seiten, die zum Leben leider auch dazu gehören. Einige Menschen stehen diese Krisen allein durch, andere brauchen Hilfe dabei.
Als Coach arbeiten Sie auch in den Führungsetagen von Unternehmen. Worum geht es dort?
Top Manager stehen immer in der ersten Reihe ihrer Firma, dabei werden sie ausschließlich an ihrem wirtschaftlichen Erfolg gemessen. Persönliche Probleme, beruflich oder privat, sind unerwünschte Störfaktoren. Hier habe ich als externer Berater sowohl eine diskrete „Kummerkastenfunktion“, als auch die Rolle eines Mediators, wenn z.B.Kommunikationsprobleme den Arbeitsalltag stören.
Und was sind die häufigsten Probleme in der Partnerschaft?
Entweder ist es die Sprachlosigkeit oder das Aneinander-Vorbei-Reden. Schweigen kann ebenso wie zu viel reden eine böse Waffe sein. Jeder glaubt sich im Recht und kämpft um seine Überzeugungen, als ginge es darum einen Krieg zu gewinnen. Ausgangspunkt ist häufig die Tatsache, dass Mann und Frau irgendwann aufhören, einander weiter kennenlernen zu wollen. Zu Beginn erzählen sich Liebespaare oft stundenlang aus ihrem Leben und irgendwann hören sie komplett damit auf. Deshalb verlieren sich viele Paare im Alltag einfach aus den Augen und werden sich innerlich fremd.
Welche Ratschläge geben Sie Paaren für eine langjährige, glückliche Beziehung?
Den Kontakt zum anderen nie abreißen zu lassen. Rituale zu pflegen, z.B.: Candle-Light-Dinner mindestens alle 14 Tage, nur zu zweit. Sich bewusst gegenseitig wahrnehmen und sich nicht als Selbstverständlichkeit betrachten. Mann und Frau sollten nicht nur ein Paar oder Ehepaar sein, sondern auch „ beste Freunde“.
Das Zitat von Friedrich Nitzsche bringt es auf den Punkt.
Nicht der Mangel an Liebe, sondern der Mangel an Freundschaft macht unglückliche Ehen.
Friedrich Nitzsche
Was machen Sie, wenn Sie nicht coachen?
Dann widme ich mich meinen Hobbys: Meinem Mann und meinem neuen Elektro-Moped, dem MEIJS Motorman.
Die Macht der Gewohnheiten
Krass formuliert ist unser tägliches Tun und Lassen nichts anderes als die Summe unserer guten und schlechten Gewohnheiten. Wie wir gehen und stehen, was wir essen und trinken, ob wir viel reden oder lieber schweigen, wann und wie lange wir schlafen, wie wir uns kleiden und was wir alles am liebsten vermeiden. Niemand sagt, bei mir ändert sich das jeden Tag: was mir heute schmeckt, kann ich morgen nicht riechen! Viele Gewohnheiten begleiten unverändert unser ganzes Leben. Und mit jedem Jahr an unserer Seite werden sie stärker, manchmal bis zur Penetranz.
Chaoten, Langeweiler, Erbsenzähler oder Rambos werden als solche schnell erkannt, typisiert und kategorisiert. Sie alle sind Opfer ihrer sehr persönlichen Gewohnheiten, die ihnen ein unverwechselbares Profil verleihen. Das eröffnet allen anderen die Chance, sich an Sie zu gewöhnen, mit ihnen vertraut zu werden oder auch nicht. Und das funktioniert nur, weil wir uns sicher sein können, dass sich ihr Verhalten wiederholt, so wie auf jede Nacht ausnahmslos ein Tag folgt.
Und das Grundgefühl der Sicherheit ist nun mal der Generalschlüssel zu unserem Wohlbefinden. Ohne dieses Urvertrauen in eine gewisse Beständigkeit unserer direkten Umwelt und ihrer Bewohner würden wir wahrscheinlich verrückt werden, da wir uns an nichts und niemanden gewöhnen könnten. Zeitgenossen, die dennoch auffällig gegen den gesellschaftlichen Strom schwimmen und Höflichkeiten strikt verneinen, erhalten schnell das Etikett: exzentrisch und unberechenbar. Und nichts ist den meisten mehr verhasst als Unberechenbarkeit, die fiese Feindin unserer lieben Gewohnheit.
Die Schattenseiten der liebgewordenen Gewohnheiten kennt allerdings auch wohl jeder. Sobald die Quälgeister Frust, Stress oder Langeweile das Stimmungsparkett beherrschen, zeigen sie sich machtvoll. Wenn der schreiende Chef den Mitarbeiter bis ins Mark nervt, zieht der sich nach Dienstschluss leider selten die Joggingschuhe an und läuft sich den Ärger von der Seele. Nein, man findet ihn eher am Tresen, trinkend und schimpfend, eingehüllt in blauen Dunst. Die weibliche Variante der Frustbewältigung ist häufig süß: Schokolade tafeln oder ein üppiges Mahl verspeisen, – ein Kick der kurzfristig Erleichterung verschafft.
Viel zu schnell kippt dieses Hochgefühl und die Reue umschleicht uns wie ein räudiger Hund mit eingekniffenem Schwanz. Wir wissen das alles im Voraus und dennoch folgen wir unseren ungesunden Neigungen wie Schafe dem Hirten. Warum? Weil wir uns einfach daran gewöhnt haben! Unser Verhalten hat sich automatisiert, (un)frei nach dem Motto: „Kein Genuss ohne Reue!“
Und das muss nicht sein. Allerdings können wir ohne die bewusste Wahrnehmung unseres Verhaltens nichts verändern. Hier gilt es unsere Aufmerksamkeit zu zentrieren und sich selbst beim Ausüben ungeliebter Gewohnheiten genau auf die Finger zu schauen und gleichzeitig zu fragen: Brauche ich diese Ablenkung, die Schokolade oder diese Zigarette jetzt wirklich? Das funktioniert natürlich nicht auf Anhieb und oft erwischen wir uns dabei, dass die Pralinen- oder Zigarettenschachtel bereits halb leer ist, bevor die Vernunft sich meldet. Macht nichts. Auch hier gilt: Nur nicht aufgeben! Jeder Tag eröffnet uns eine neue Chance uns selber „auf die Schliche“ zu kommen, unser Frustverhalten kennen zu lernen und vertraut zu werden mit unseren ganz persönlichen Eigenheiten. Die positiven Gewohnheiten gehen uns nicht verloren und den schlechten sollten wir den Kampf ansagen. Ein Prozess, der seine Zeit braucht, denn nur die Zeit macht ein bestimmtes Verhalten erst zu einer Gewohnheit. Und die kann man sich auch wieder abgewöhnen.
Es geht auch ohne!
Aus einer sensationellen Erfindung ist ein Quälgeist erster Güte geworden: das Handy. Handtaschen klingeln, Hosentaschen vibrieren, immer und überall. Im Theater, in der Kneipe, beim Arzt, im Auto, beim Einkaufen, es klingelt rund um die Uhr und meistens ist es nicht mal das eigene Handy. Ruftöne in allen Variationen und aktuelle Popsongs sollen die emotionale Bindung von Handy und Herrchen/Frauchen noch verstärken. Und erst die Panik, wenn der kleine Taschenbimmler nicht auffindbar ist – Hilfe, mein Handy ist weg: Ich bin nicht mehr erreichbar, ich gehöre nicht mehr dazu. Dabei gab es noch vor 30 Jahren ausschließlich fest stationierte Telefone und trotzdem waren die Menschen erreichbar und glücklich. Aber ein Leben ohne Mobiltelefon, ohne SMS und Mailbox ist heute für viele Menschen nicht mehr vorstellbar. Der Preis für diese Abhängigkeit ist hoch: Horrende Telefonrechnungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen, Nervosität und Erschöpfung sind nur einige markante Folgen des ungezügelten Telefonverkehrs.
Besonders für junge Menschen ist das eigene Handy unbedingtes Statussymbol. Anstelle des persönlichen Gespräches tritt immer häufiger die verstümmelte SMS-Sprache. Geflirtet wird in Abkürzungen und das Ende einer Liebe kündigt sich häufig mit einem Doppelpiepser in der Handtasche an und liest sich auf dem Display eines Handys noch etwas brutaler als es ohnehin schon ist. Eine ähnliche Begeisterung und Hingabe für ein Stück Technik hat vor 77 Jahren die revolutionäre Erfindung des Fernsehens ausgelöst. Eine Nation starrte selbstvergessen auf die virtuelle Wirklichkeit eingesperrt in einen viereckigen Holzkasten. Und in kürzester Zeit mauserte sich das TV zum Zeitfresser Nummer eins. Auch hier wurden schon nach wenigen Jahren gravierende psychische und körperliche Leiden bei den Vielsehern diagnostiziert. Der Informations-Overload, die ständige Überflutung des Menschen mit den unterschiedlichsten Informationen ist der Hauptstressfaktor in unserem Leben. Wir sind sozusagen ständig auf Sendung, bereit zu empfangen, egal was und von wem. Es fällt uns gar nicht mehr auf, dass wir immer „online“ leben – pausenlos.
Wen wundert es da noch, wenn ein derart gequälter Organismus irgendwann die Notbremse zieht und sich mit Krankheitssymptomen gegen diesen ungebremsten Input wehrt? Einige Menschen merken z.B. dass ihre Entscheidungsfreude und -fähigkeit verloren geht. Was ist jetzt wirklich wichtig? Was soll ich zuerst tun? Wen muss ich unbedingt zurückrufen, gleich oder später? Sie schieben es vielleicht auf ihr fortgeschrittenes Alter, aber häufig ist die eigentliche Ursache die ständige, tägliche Überforderung. Entscheidungsunfähigkeit schürt den Selbstzweifel und gemeinsam blockieren sie dann irgendwann jede Aktivität. Der Weg in die Depression scheint vorgezeichnet, so wie bei der erst 18jährigen Annemarie: „Es fing total harmlos an. Leichte Nervosität, stärkere Vergesslichkeit, ständig habe ich mein Handy verlegt und dann verzweifelt gesucht. Freundinnen beschwerten sich, dass ich ihre SMS nicht beantwortet hätte, meine Eltern hackten auf mir rum, weil ich ständig vor der Glotze hing und nicht ansprechbar war. Für mich war das Fernsehen eine Entspannung. Ich vergaß alles um mich rum, war aber durch mein Handy trotzdem immer erreichbar. Für Schularbeiten, Mithilfe im Haushalt oder gar irgendwelche Hobbys hatte ich allerdings keine Minute über.“ Annemarie fühlte sich bald überfordert und reagierte mit Angstattacken. Sie traute sich nicht mehr vor die Tür und die Eltern brachten ihre Tochter schließlich zum Psychotherapeuten. Kein Einzelfall, allerdings ist Stress eine sehr individuelle Reaktion und Empfindung des Einzelnen. Was den einen angenehm anregt (positiver Stress = Eustress), regt den anderen total auf (negativer Stress = Disstress). Dabei ist besonders negativer Dauerstress gesundheitsschädlich. Bei überforderten Managern führt dies häufig zum sogenannten „Burn-Out-Sydrom“, der Mensch ist total ausgebrannt, nichts geht mehr.
Die körperlichen Reaktionen auf Eustress oder Distress sind allerdings erst mal die gleichen: Stresshormone z.B. das Cortisol werden ausgeschüttet. Das steigert die Herzfrequenz, erhöht den Blutzuckerspiegel, die Atmung und den Blutdruck. Der positive Stress beflügelt und befriedigt, negativer Stress dagegen wird als total frustrierend erlebt und er greift außerdem das eigene Immunsystem an und schwächt den Menschen.
Das muss alles nicht sein, allerdings ist das Gegenmittel drastisch: Ausschalten! Sowohl das Handy als auch den Fernseher. Schalten Sie ab, schaffen Sie sich Ruhezonen und feste Ruhezeiten. Ein gemütlicher Raum in dem es weder einen Fernseher, noch ein Telefon gibt. Stellen Sie Ihr Handy ab 18 Uhr auf die mailbox um. Sagen Sie Ihren Freunden, dass Sie um diese Zeit grundsätzlich nicht mehr ans Handy gehen, gute Freunde haben dafür ganz sicher Verständnis. Erleben Sie wie entspannend es ist, wenn Sie nicht ständig und überall erreichbar sind. Sollte diese Maßnahme zu dramatisch sein, gestalten Sie Ihren persönlichen Entzug etwas leichter und starten mit zwei Abenden pro Woche, die Ihnen allein gehören. Treiben Sie in dieser Zeit Sport, gehen sie regelmäßig in die Sauna, zur Kosmetik. Ein ungestörtes Wannenbad mit exotischen Düften kann kleine Wunder bewirken. Halten Sie inne und überlegen in aller Ruhe, ob das Leben noch so abläuft, wie Sie es sich eigentlich vorstellt haben. Hat der Alltagstrott all Ihre Wünsche absorbiert, oder gibt es da noch Lebenszeichen. Setzen Sie sich keinesfalls unter Druck mit Ihren ganz persönlichen Reflexionen über Ihren Lebensstil, sondern hören Sie nur aufmerksam in sich hinein. Selbstaufmerksamkeit erhöht die Selbstachtung und diese wiederum beschützt unser Selbst. Veränderungen brauchen ihre Zeit, kleine Schritte bringen hier eher langfristigen Erfolg als Hauruck-Umstellungen. Und wir wissen eigentlich sehr genau, was uns gut tut, wovon wir lieber die Finger lassen sollten und wie wir uns am besten erholen können, um neue Kraft zu tanken. Zum Beispiel mal einen ganzen Sonntag im Bett verbringen, ein Luxus, der nichts kostet. Zelebrieren Sie diese Ruhezeiten für sich allein und verteidigen sie diese „Auszeit“ gegen alle Eindringlinge, wie Telefon, TV oder gelangweilte Bekannte, die nur mal eben reinschauen und Ihnen die Zeit stehlen wollen.
Ewige Jugend um jeden Preis?
Jenseits der fünfzig gehörten Männer und Frauen früher ganz klar zum alten Eisen, heute stehen sie mitten im Leben. Die Generation unserer Mütter steht staunend vor ihren vierzig- und fünfzigjährigen Töchtern. Sie haben sich im gleichen Alter viel älter gefühlt, nicht so fit, geistig wie körperlich, nicht so unternehmenslustig und frei in ihren Entscheidungen ein wirklich selbst bestimmtes Leben zu führen. Und niemals zuvor wurden die Menschen so alt wie heute und niemals zuvor war es so unmodern alt zu werden wie in unserem Jahrhundert. Ein Widerspruch in sich. Statt die gestiegene Lebenserwartung mit all ihren Möglichkeiten freudig zu erwarten, wehren sich zunehmend junge und mittelalte Menschen mit allen Mitteln, um die körperlichen Zeichen der Zeit zu vertuschen. Dank Hygiene, Medizin und Wohlstand ist die Lebenserwartung in den vergangenen 100 Jahren um mehr als 30 Jahre gestiegen und die Lebensqualität der neuen Alten ebenfalls. Das hat Folgen: ein Viertel der Deutschen ist älter als 60 Jahre und im Jahre 2050 werden es laut statistischer Prognosen schon 40 Prozent der Gesamtbevölkerung sein. Trotzdem ist gerade heute das Jungsein und Jungbleiben zum gesamtgesellschaftlichen Ideal hochstilisiert worden. Dieser Anspruch ist untrennbar mit einer tollen, begehrenswerten Figur verbunden. Für einen gesunden, wohlgeformten Körper kann jeder ganz persönlich etwas tun, aber ernsthaft gegen das Altern anzutreten, das ist letztendlich ein groteskes Unternehmen und entsprechend sehen viele von Schönheitschirurgen zigmal bearbeitete Frauen und Männer auch aus.
Der körperliche Abbau im Alter kann durch eine ausgewogene Ernährung, flankiert von regelmäßiger Bewegung stark gedrosselt werden, wirklich aufzuhalten ist er nicht. “Forever young” ist zwar schon immer ein uralter Menschheitswunsch gewesen, der Traum vom ewigen Leben. Aber ob das wirklich lebenswert wäre, ist eher zu bezweifeln. Trotzdem boomt die Schönheitschirurgie ohne Ende und die Trendsetter in Sachen Mode setzen weiterhin auf blutjunge, klapperdürre Models als Vorbilder für den aktuellen Zeitgeist. Und diese Bilder, die auf vielen unterschiedlichen, subtilen Wegen der Werbung das gesellschaftliche Bewusstsein prägen, treiben zur Zeit skurrile Blüten. Fett absaugen an Bauch und Beinen als Diätersatz – über eine vernünftige Ernährungsumstellung wird nicht mehr lange nachgedacht. Eine neue Nase als Weihnachtsgeschenk, aufgespritzte Gummibootlippen für Mutter und Tochter, Botoxspritzen gegen Mimikfalten auf der Stirn. Brustvergrößerungen werden live im TV gezeigt und die „Vorher-Nachher-Sendungen“, die mit Hilfe modischer und kosmetischer Tricks und vom Sender spendierter OPs in Sachen Schönheit junge Schwäne kreieren, bringen traumhafte Einschaltquoten. Und dabei geht es ausschließlich um die Optik, das Erscheinungsbild des Menschen. Innere Werte, Erfahrung, Reife, Weisheit sind antiquierte Vorstellungen die bei diesem Wettlauf gegen das Alter nicht am Start sind. Nur im Zusammenhang mit der geplanten Verlängerung der Lebensarbeitszeit als Antwort auf die drohende Überalterung unserer Gesellschaft findet hier zurzeit ein Umdenken statt. Auch als kaufkräftige Konsumenten hat die Wirtschaft die fitten Alten ausgemacht und spricht sie gezielt an. Aber als durchaus erstrebenswerte Lebensphase wird die Zeit nach fünfzig nicht unbedingt propagiert.
Aber wann fängt das Altsein eigentlich an? Und wer bestimmt das. „Man ist so jung wie man sich fühlt“, sagt ein schönes Sprichwort. Wie wahr, denn ein sehr betagter, kränkelnder und gebrechlicher Mensch fühlt sich bestimmt nicht mehr jung. Aber diese Erkenntnis kann nicht für eine allgemeine Altersdiskriminierung herhalten. Je stärker der Wunsch das Alter zu bekämpfen, desto schlimmer der Absturz, wenn dieser Kampf mit den Jahren zwangsläufig verloren gehen muss und häufig in der Lächerlichkeit endet. Das Älterwerden ist ein lebenslanger Prozess, der mit der Geburt seinen Anfang findet und über die verschiedenen Lebensetappen unausweichlich zum Tode führt. Neu daran ist lediglich, dass sich ausgerechnet die sich selbst als hochzivilisiert einschätzenden Kulturen gegen diese Tatsache auflehnen und immer unfähiger werden, das Alter und den Tod als ganz normalen Bestandteil des Lebens zu akzeptieren. Da führen uns viele scheinbar primitive Urvölker vor wie man in Würde altert und das Alter würdigt. Das Beste am Jungsein ist sicherlich die Tatsache, dass man noch das ganze Leben vor sich hat, um viele neue Erfahrungen sammeln zu können. Das Beste am Ältersein ist der erworbene Erfahrungsschatz, auch wenn man nur noch ein halbes Leben vor sich hat oder sich bereits im letzten Lebensdrittel befindet. So sollte zukünftig noch viel mehr über neue Arbeits- und Lebensformen im Alter nachgedacht werden, die moderner sind und den junggebliebenen Alten auch wirklich entsprechen Also, wer früher mit fünfzig zum alten Eisen gezählt wurde, startet heute noch mal so richtig durch. Denn das Jungsein spielt sich zuerst einmal im Kopf ab, und der kann auch auf einem älteren Körper sitzen.
Sport ist Arbeit
Diäten, Schlankheitsdrinks und Abnehmpillen geraten immer wieder ins Sperrfeuer der Kritik, nur der gute alte Sport als Kalorienfresser Nummer eins wird nie angegriffen – vom exzessiven Leistungssport einmal abgesehen. Bewegung ist immer gut, da führt kein Weg dran vorbei. Vor 50 Jahren waren die Menschen im Durchschnitt noch drei Stunden pro Tag mehr auf den Beinen als heute. Durch den technischen Fortschritt in Form von Handys, Fernbedienungen und Homeshopping sind wir zu Sitzenbleibern mutiert und das sieht man uns auch an. Der Computer mit seinen unendlichen Animationsangeboten fesselt die Kinder an den Bildschirm, während draußen die Jahreszeiten wechseln. Dabei haben Wissenschaftler längst herausgefunden, dass Bewegung ein preiswertes Rezept für ein gesünderes und längeres Leben ist.
Regelmäßiger Sport, dass heißt mindestens dreimal pro Woche und mindestens eine dreiviertel Stunde Training ist ein Garant für eine gute Figur. Auf eine ausgewogene Ernährung muss dabei trotzdem noch achten, wer sich lange mit Übergewicht herumgeschlagen hat oder einfach zum Dickwerden neigt. Für eher unbewegliche Menschen oder auch für die Immer-mal-wieder-Sportler ist diese Tatsache ein ganz hartes Brot. Denn wie man es auch dreht und wendet, ohne regelmäßige Anstrengung geht es einfach nicht und das rückt die gesunde Bewegung stark in die Nähe von richtiger Arbeit. Weiterer Frustpunkt ist, dass sich der Erfolg dieser Plackerei erst nach Monaten zeigt. Da ist jede durchgehaltene Diät schneller, aber aufgrund des Jojo-Effektes eben nicht nachhaltig. Es hilft alles nichts, wer dauerhaft auf die Bikinifigur schielt, muss sich überwinden und die regelmäßigen Sporteinheiten in den Wochenplan einbauen. Es muss allerdings nicht unbedingt das Fitness-Studio sein. Lange Spaziergänge, intensive Gartenarbeit und häufiges Tanzen sind ebenfalls sportliche Betätigungen, auch wenn sie den offiziellen Titel nicht tragen. Absolute Fitnessmuffel sollten zumindest die Minimalforderung erfüllen, statt Fahrstuhl die Treppen, statt Auto das Fahrrad zu benutzen und insgesamt viel mehr zu Fuß zu erledigen. Das konsequente Einhalten dieser Regeln ist dabei unerlässlich, sonst bringt es gar nichts. Wer mehr sporteln möchte, der sollte erst mal recherchieren, welche Sportart es denn sein könnte? Also nicht gleich festlegen, z.B. Kurse buchen oder teueres Sportgerät kaufen, sondern ausprobieren was passen könnte.
Jedes gute Fitnessstudio bietet Schnuppertage an, die man ausgiebig nutzen sollte, um nicht in einen langfristigen Vertrag zu stolpern, der Geld kostet und ein ständig schlechtes Gewissen erzeugt, weil nach vierwöchiger Euphorie die gemütliche Coach zuhause das Rennen um die Traumfigur gewonnen hat. Wichtig sind auch Fragen wie, bin ich eher ein Einzelgänger oder der Mannschaftstyp. Möchte ich mich vorwiegend draußen bewegen oder lieber drinnen? Möchte ich von einem Trainer kontrolliert werden oder reicht meine Motivation zum Durchhalten aus? Wenn dann ein passender Sport gefunden wurde, bitte nicht gleich wie verrückt drauflos trainieren, das gibt nur einen fetten Muskelkater, und der wiederum ist ein echter Motivationskiller. Es dauert ja sowieso etwas länger mit dem sichtbaren Erfolg, also lieber langsam und spielerisch anfangen, dafür aber beständig dranbleiben. Eines ist sicher, ein gut absolviertes Körpertraining bereut niemand. Hinterher fühlt sich jeder wohl und stolz. Auf dem Weg dahin, greift allerdings unbarmherzig der innere Schweinehund an und den gilt es immer wieder zu besiegen. Einigen gelingt dies am besten ganz früh am Morgen, wenn sie noch nicht so richtig wach sind und sich quasi in Trance die Laufschuhe anziehen oder das Fahrrad besteigen. Andere können besser am Abend trainieren. Auf jeden Fall sollte das Fitnesstraining eine fester Bestandteil des eigenen Lebens werden und nicht nur eine Zeiterscheinung wie z.B. alle Diäten. Wer von den Eltern sehr früh in einen Sportverein gesteckt wurde und dort regelmäßig trainiert hat, behält dies meistens ein Leben lang bei. Das ist der Idealfall, denn hier hat sich ein Automatismus gebildet, gegen den kein Schweinhund der Welt eine Chance hat. Wer spät beginnt sich gesund zu bewegen, braucht jede Menge Geduld, um so eine positive Gewohnheit auszubilden. Alle Gewohnheiten entstehen nur mit der Zeit, und die muss man sich dann auch selbst zugestehen.
Eine weitere Hilfestellung auf dem Weg zum beweglichen Menschen ist ein Trainingspartner, ein Leidensgefährte. Wer fest verabredet ist, drückt sich nicht so leicht vor der bevorstehenden Anstrengung. Und geteiltes Leid ist halbes Leid. Alle Jogger, die so toll an einem vorbeirennen, als seien sie in Sportklamotten geboren worden, haben irgendwann einmal mühsam angefangen. Wenn sich dann nach einiger Zeit des Durchhaltens auch die Bewegungsfreude einstellt, möchten die meisten den Erfolg ihrer Sportarbeit auch nachprüfen, aber wie? Um die schwindenden Kilos zu kontrollieren, empfiehlt die Diätindustrie die Waage, aber diese ist völlig blind für die Zusammensetzung unseres Körpers. Bekommt sie Druck wiegt sie, egal was. Durch regelmäßigen Sport werden Fettpolster zwar auch abgebaut, aber gleichzeitig werden die Muskeln gestärkt und aufgebaut und die sind schwerer als Fett, dass bekanntlich ja immer oben schwimmt. Und hier ist nicht die Rede von Muskelpaketen, die viele Frauen zu Unrecht fürchten, sobald sie mal eine Hantel in die Hand nehmen. Um sich einen so unnatürlichen Bizeps anzutrainieren wie die starken Schwestern von Arnold Schwarzenegger ihn zur Schau tragen, muss man täglich und fast bis zur Selbstaufgabe im Sportstudio schuften. Also die ganz normale Straffung und Stärkung der Muskulatur bringt zusätzlich Gewicht auf die Waage, deshalb keine Panik, das ist kein böses Fett. Als Figurkontrolle eignet sich jetzt besser die eigene Kleidung, der Hosenbund oder die Hosenbeine sprechen eine deutliche Sprache. Auch die Ausdauer wird sich merklich verbessern, man kommt nicht schnell aus der Puste. Doch bevor diese Fitnessfrüchte geerntet werden können, heißt es: Anfangen und durchhalten! Aufgeben gilt nicht.