Simplyfy your Kleiderschrank

Heiraten ist keine Kunst, sich anständig scheiden zu lassen dagegen schon. Was mit viel Liebe und Romantik auf Hochzeiten zelebriert wird, endet bei jeder 3. Ehe vor dem Scheidungsrichter. Aber wer den Bund für´s Leben schließt, macht sich definitiv keine Gedanken über eine mögliche Trennung. Es soll ja auch für immer sein und so lautet die christliche Trauungsformel entsprechend: „…bis dass der Tod euch scheidet!“

Die Türen weit geöffnet wie ein gefräßiges Maul starrt mich mein Kleiderschrank an und präsentiert mir seine unordentlichen Innereien. Wo fange ich an? Endlich Ordnung schaffen, dieser Vorsatz peinigt mich besonders gern  zum Jahresbeginn und fordert Vollstreckung. Angesichts des Chaos ineinander verschlungener Pullover und halbgehangener Hosen, alles dicht gedrängt wie in einer überfüllten U-Bahn,  verlässt mich oft schon beim Start der Mut und ich schließe deprimiert die Türen. In den vergangenen Jahren habe ich bei mir ein spezielles Aufräummuster identifiziert: Es geht nicht an jedem beliebigen Tag, es kommt auf meine innere Befindlichkeit an. Aufräumen, aussortieren und vielleicht sogar wegschmeißen, das sind Fähigkeiten, die mir nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. An ganz verzagten Tagen bleibt es bei dem guten Vorsatz, an etwas mutigeren Tagen fange ich beherzt an, reiße alles aus dem überquellenden Schrank, sortiere von links nach rechts, kann mich aber letztlich von keinem einzigen Kleidungsstück trennen. Droht ein Abschied, weil ich das Teil nun seit Jahren nicht mehr getragen habe, fällt mir bestimmt eine Situation ein, die sich selbst für dieses hässliche Entlein noch eignet. Zum Beispiel könnte der alte, abgewetzte Ringelrolli bei der Gartenarbeit noch  eine gute Figur machen. Ich habe aber keinen Garten.

Wenn ich dann stundenlang unentschlossen in den Textilien herumgewühlt habe, verlässt mich meistens schlagartig die Lust und ich stopfe den Rest zurück in die überfüllten Abteile. In der richtigen Stimmung allerdings pflüge ich mitleidlos durch die Klamotten, packe alles selten Getragene beim Kragen und stopfe es in eine Plastiktüte. Nach einem solchen Entrümpelungsrausch fühle ich mich wie befreit und gelobe diese harmonische Ordnung, Pullover gern nach Farben sortiert, nun für immer beizubehalten. Die prall gefüllten Tüten mit Abgelegtem wandern erst mal in den Keller, so nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn!“ Das klappt auch meistens und  nach einigen Wochen versenke ich diese Tüten dann unbesehen in der Altkleidertonne. Nur einmal habe ich den folgenschweren Fehler begangen, kurz noch mal einen Blick auf die Abschiedsware zu werfen. Die Hälfte des Inhaltes wanderte danach wieder in meinen Schrank für ganz besondere, nie eintretende Gelegenheiten. Und im Jahr danach traten sie dann wieder ihre Rundreise in der Plastiktüte an.

Alle Kleidungsstücke, die ich blindlings dem Container geopfert habe, sind auch komplett aus meinem Kopf verschwunden und können mich nie mehr durch ihre ungetragene Anwesenheit anklagen. Es gibt allerdings auch Fehl- und Frustkäufe, die meinen Körper nur einmal in der Umkleidekabine gesehen haben, und die wirklich zu schade für die Tonne sind. Mein Tipp, diese Bekleidung ebenfalls aussortieren und entweder einer ähnlich gebauten Freundin vorstellen, verschenken oder gegen ihre ungeliebten Sachen eintauschen. Etwas mehr Aufwand erfordert der Besuch eines Flohmarktes oder die Versteigerung im Internet, bringt dafür aber auch ein paar Taler ein. In jedem Fall gilt es eine ganz persönliche innere Grenze zu überwinden, sich zu fragen, warum kann ich mich so schwer trennen von alten Sachen, um Raum zu schaffen für Neues? Sind es wirklich alles ganz wichtige Erinnerungsstücke, Zeitzeugen zum Beispiel wie mein verschlissenes Erdbeerkleid, mit dem ich als Dreijährige am Ostseestrand flanierte? Oder handelt es sich vielleicht eher um eine versteckte Entscheidungsschwäche? Probieren geht auch hier über Studieren.