Schlachtfeld Scheidung

Heiraten ist keine Kunst, sich anständig scheiden zu lassen dagegen schon. Was mit viel Liebe und Romantik auf Hochzeiten zelebriert wird, endet bei jeder 3. Ehe vor dem Scheidungsrichter. Aber wer den Bund für´s Leben schließt, macht sich definitiv keine Gedanken über eine mögliche Trennung. Es soll ja auch für immer sein und so lautet die christliche Trauungsformel entsprechend: „…bis dass der Tod euch scheidet!“

Dabei ist es keine Schande, wenn Eheleute erst im Alltag merken, dass sie einfach nicht zusammenpassen und ihre Liebe nicht bis zu ihrem Lebensende ausreichen wird. Aber statt sich nun vernünftig wieder zu trennen, damit beide einen Neuanfang wagen können, verwandeln die einst Liebenden ihren Traum vom Eheglück in einen emotionalen Alptraum.

Warum? Schuld daran ist die Angst, die Angst vor dem Unbekannten. Wie soll das Leben weitergehen ohne den anderen, emotional und finanziell? Wie werden die Kinder reagieren, was werden die Eltern, Freunde und Kollegen sagen? Alles scheint bedrohlich und anfangs unüberwindbar. Denn leider sehen nicht beide Partner zur gleichen Zeit ein, dass Ihre Ehe am Ende ist. In der Regel beginnen Streit und Stress, wenn ein Partner das Gefühl äußert, unzufrieden, nicht mehr glücklich zu ein. In diesen Momenten startet schlagartig die emotionale Achterbahn: Übelkeit und Herzrasen auf der körperlichen Ebene begleitet von dem Gefühl unattraktiv und nicht mehr liebenswert zu sein.

Es entsteht ein explosiver Gefühlscocktail aus Angst, Wut, Enttäuschung und Eifersucht, der konstruktive Gespräche unmöglich macht. Stattdessen wird auf der Schuldfrage rumgeritten und immer heftiger gestritten. Wenn dann noch eine andere Frau oder ein anderer Mann im Spiel ist, herrschen kriegsähnliche Zustände im trauten Heim. Vom Schweigeterror über lautstarke Auseinandersetzungen, Drohungen und Beleidigungen, die Palette der gegenseitigen Stressoren ist vielfältig. Aus dieser desolaten und oft monatelang anhaltende Stimmungslage heraus wird dann wiederholt mit Trennung und Scheidung gedroht. Und das ist natürlich keine gute Ausgangslage für ein friedliches Auseinandergehen.

Dabei wünschen sich eigentlich alle Betroffenen ein faires Beziehungsende, eine einvernehmliche Scheidung. In der Praxis entzündet sich allerdings schon an kleinsten Meinungsverschiedenheiten eine Trennungsschlacht, in der letztendlich alle Verlierer sind – bis auf den Anwalt. Aber diese wichtige emotionale Thematik gehört nicht zu den eigentlichen Aufgabenbereichen der Rechtsanwälte. Sie sollen vielmehr die rechtlichen Grundlagen einer Trennung vermitteln und sachlich dabei helfen, dass wieder auseinander gerechnet werden kann, was über die Jahre zusammengewachsen ist.

Für die Betroffenen ist das gesamte Trennungsprozedere meistens völliges Neuland, hier können sie sich nur auf ihren Anwalt verlassen. Aber mit ihrem angeschlagenen Gefühlsleben, mit ihrer Traurigkeit, Angst und Hilflosigkeit bleiben sie allein. Und Eltern, Freunde und Bekannte sind in dieser Situation häufig auch keine wirkliche Hilfe, weil sie sich in der Regel auf eine Seite schlagen und durch ihre Parteilichkeit die Gräben zwischen den Ehepartnern noch weiter vertiefen. Was tun in dieser verfahrenen Situation?

Es ist elementar wichtig, dass sich die Paare externe Hilfe holen und nicht erst dann, wenn sie bereits nervlich und körperlich total am Ende sind. Sie sollten sich einen Mediator, einen Coach suchen oder sich an eine Beratungsstelle wenden. Sie sollten recherchieren, wer Ihnen helfen kann, denn für alle gilt: „Wer drinnen sitzt, kann nicht von draußen gucken!“ Eine Schlammschlacht hilft niemandem weiter, sondern es entsteht meistens noch größerer Schaden.

Und das ist besonders wichtig, wenn gemeinsame Kinder im Spiel sind. Sie sind leider häufig auch der Grund dafür, dass der Schritt zur Scheidung viel zu spät gemacht wird und zwar aus falsch verstandener Rücksicht auf den Nachwuchs. Denn unabhängig vom Alter der Kinder, kriegen diese meistens sehr viel mehr mit vom quälenden Ehestress der Eltern, als diese ahnen. Und sie leiden immer darunter! Nicht selten fühlen sie sich sogar verantwortlich für die ganze Misere, weil sie sich die schlimmen Streitigkeiten von Vater und Mutter nicht anders erklären können.

Ein klarer Schnitt, eine freundliche, faire Trennung und ein gut geregeltes, getrenntes Familienleben ist für Kinder letztendlich leichter zu verarbeiten und zu akzeptieren als ein beständig, quälender Kleinkrieg, der sich feige hinter der Fassade einer scheinbar intakten Familie versteckt.

Schön wäre es, wenn man zukünftig auch mal zu der einen oder anderen Scheidungsparty eingeladen wird. Zu einem würdigen Abschiedsfest, dass beide Partner wieder in die Freiheit entlässt. Das wäre auch ein schönes und wichtiges Signal für gemeinsame Kinder, die daran lernen könnten, dass das Ende einer Ehe nicht zwingend auch die Zerstörung der gesamten Familie bedeuten muss. Und wenn man sich nicht über Jahre hinweg verletzt und beleidigt, belogen und betrogen hat, dann kann man sich sehr wohl auch nach einer Trennung gegenseitig schätzen, respektieren oder sogar befreundet sein.