Irgendeine Party. Essen und Trinken, Small Talk in gelöster Stimmung. Alles ist gut, bis sie auftaucht. Sie, die eine Frage: „Was machen Sie eigentlich beruflich?“ Und kaum weiß mein Gegenüber welcher Zunft ich angehöre, stecke ich auch schon in der Zwangsjacke. Für alle gängigen Klischees über die Psychologie im Allgemeinen und die Psychologen im Besonderen bin ich nun unfreiwillig Zielscheibe.
„Jetzt muss ich aber verdammt aufpassen, was ich Ihnen sage“ ist das begehrteste Vorurteil. Es wird meistens als Starter benutzt und leider nie befolgt. Die Unterstellung „Sie können mich sicher sofort durchschauen und mich dann nach Ihren Wünschen manipulieren“ wird auch immer wieder gern genommen. Könnte ich das, hätte ich meinen Beruf verschwiegen und es einfach getan. „Die Psychologie ist doch überflüssig wie ein Kropf, ein gutes Gespräch unter Freunden tut es doch auch!“ Nein für den Kropf und ja für die guten Gespräche mit Freunden. Hier kommt mein Gegenüber meistens so richtig in Schwung: „Psychologie beschäftigt sich doch mit den Menschen (für dieses Grundwissen bin ich dankbar), und Mensch ist schließlich jeder (auch wahr).“
Dann stellt er mir noch seinen gesunden Menschenverstand als Bürgen vor und beschuldigt mich gleich darauf, mitverantwortlich zu sein, weil seine Ex-Freundin Margret in einem Psycho-Workshop völlig ausgetickt ist und stundenlang nur noch geheult hat. Nun sei ich ja wider Erwarten eine ganz nette Psychologin (vielen Dank, aber besser wir wechseln jetzt das Thema), und ob ich ihm nicht mal sagen könnte, was mit Margretchen eigentlich los sei (das habe ich befürchtet). Seit er sich von ihr getrennt habe, verhalte sie sich besonders auffällig. Sie werde grundlos aggressiv, ja geradezu hysterisch, z.B. bei dem Angebot doch noch einmal miteinander zu schlafen, so in aller Freundschaft, versteht sich. Sein fragender Blick durchbohrt mich, und ich diagnostiziere ganz heimlich und ebenso unprofessionell, dass der Typ nicht alle Tassen im Schrank hat.
Trotzdem gebe ich nicht auf und nach einer zweistündigen Gesprächsetappe können wir das Basislager aufschlagen: Psychologie ist doch nicht nur unnützes Gelaber, aber manchmal auch. Psychologie ist eine Wissenschaft, fast wie jede andere auch. Psychologie ist nicht gleich Psychotherapie, und ein Diplom-Psychologe ist nicht automatisch auch ein Psychiater (der hat nämlich zusätzlich noch Medizin studiert), und beide sind vor allem keine Hellseher. Soweit, so gut. Nun ist auch Gott sei Dank Margret kein Thema mehr. Ein letztes provokantes Aufbäumen meines charmanten Laienpsychologen beim letzten Glas Bier gipfelt in der Frage:“ Was denken Sie über mich, wenn ich Ihnen verrate, dass ich ein Einzelkind bin und meine Mutter sehr liebe?“ „Schön für Sie und schön für Ihre Mutter“, sage ich und freue mich, dass die Gedanken frei sind.