Geiz ist gruselig – nicht nur zur Weihnachtszeit!

Die Bekanntschaft mit einem richtigen Geizkragen vergißt man so schnell nicht und im Freundeskreis ist so jemand öfter mal Anlass für Verärgerung. Denn die Pfennigfuchser drücken sich regelmäßig vorm Bezahlen, gehen schnell noch zur Toilette, wenn die Rechnung kommt und klappt das nicht, wollen sie auf den Cent genau auf- und abrechnen.

Sie lassen sich gerne einladen und wenn es etwas umsonst gibt, sind sie auch ganz vorne mit dabei. Spenden, schenken und selbstlos helfen, das ist nicht so ihr Ding, denn sie geben nicht so gerne und das bezieht sich nicht nur auf das Materielle. Sie sind sehr auf sich selbst fixiert und geizen deshalb auch mit ihrer Zeit, Aufmerksamkeit und Zuneigung, wenn nichts dabei für sie herausspringt.

Die schönste Charakterstudie dazu liefert die berühmte und vielfach verfilmte Weihnachtsgeschichte „A Christmas Carol“ von Charles Dickens aus dem Jahr 1843: Der hartherzige, alte Geschäftsmann Ebenezer Scrooge, wird eines Nachts von drei Geistern heimgesucht, die ihm sein mitleidloses, knauseriges Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber spiegeln und ihm eine traurige, total vereinsamte Zukunft prophezeien.

Der mürrische Geizkragen Scrooge war übrigens auch Vorlage für den reichsten und geizigsten Enterich der Comic-Welt, Dagobert Duck aus Entenhausen. Für beide Figuren gibt es ein Happy-End, sie schämen sich und entdecken den Zauber des Schenkens und der Großzügigkeit.

In der Realität ist der Geizige eher uneinsichtig und beklagt empört, wenn Freunde sich plötzlich abwenden. Selbst wenn sich jemand tatsächlich traut, offen zu sagen: „Du bist wirklich geizig“, verteidigt sich der Betroffene mit Argumenten wie: „ich bin nur sparsam“ oder „ich bin eben kein Verschwender!“ Und Geiz zerstört nicht nur Freundschaften, sondern ist auch einer der größten Beziehungskiller. Statistiken zufolge ist er insbesondere für Frauen ein absolutes No-Go bei der Partnerwahl.

Psychologisch gesehen ist großer Geiz eine außer Kontrolle geratene Sparsamkeit, die auch zur Sucht ausarten kann. Dann ist normales Einkaufen kaum mehr möglich. Nicht selten leiden die Betroffenen auch noch unter anderen Zwangsstörungen, wie z.B. einem Kontrollzwang oder einem übertriebenen Ordnungssinn.

Drei Arten von Geiz lassen sich gut unterscheiden. Einige Sparfanatiker sind zwar extrem knauserig anderen gegenüber, gönnen sich aber auch selbst nichts. Dabei können sie durchaus wohlhabend sein, leben aber trotzdem eher in einfachen Verhältnissen. Ein anderer Spartyp gibt sich nach außen bescheiden, schwelgt aber hinter verschlossenen Türen im Luxus. Die altruistische Variante der Menschen, die sich selbst alles versagen und äußerst großzügig anderen gegenüber sind, ist eher selten anzutreffen.

Eine Erklärung für die Entstehung von Geiz liefert u.a. die Verhaltenspsychologie: Danach wird habgieriges, geiziges Verhalten in Kindheit und Jugend erlernt, z.B. von den Eltern. Glaubenssätze wie „wer den Cent nicht ehrt, ist den Euro nicht wert“ werden verinnerlicht und anstatt mit Lob und Liebe werden Leistungen des Kindes mit Materiellem belohnt. Ein gesundes Selbstwertgefühl, die Selbstliebe kann sich so nicht entwickeln. Später dient angehäufter Besitz, ob Geld auf dem Konto oder irgendwelche Luxusgüter oft als Ausgleich für fehlende Geborgenheit und Zuneigung. Geiz und Gier sind damit auch ein Zeichen für einen tiefliegenden Mangel. Aber Geld und Güter ersetzen nun mal keine ehrlichen Freundschaften. Oder um es mit Albert Einstein zu sagen: “Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.”

Die gute Nachricht ist, was man gelernt hat, kann man auch wieder verlernen. Also etwas mehr Großzügigkeit lässt sich durchaus trainieren. Ein erster Schritt ist die selbstkritische Betrachtung des eigenen übertriebenen Sparverhaltens. Haben Bekannte oder Freunde schon mal Andeutungen dazu gemacht? Gibt es unter ihnen jemanden, mit dem man offen und ehrlich darüber sprechen könnte? Sich selbst einmal die Frage stellen, warum es so schwerfällt, Dinge loszulassen, abzugeben, etwas zu verschenken? Welche falschen Glaubenssätze könnten dahinter stecken? Und einfach mal auszuprobieren, andere einzuladen oder zu beschenken. Dabei bitte nicht vergessen: Schenken ist kein Tauschgeschäft, sondern eine selbstlose Gabe.
Und das ist auch die wichtigste und hochaktuelle zwischenmenschliche Erkenntnis aus der “Weihnachtsgeschichte” von Charles Dickens: Seid großzügig und mitfühlend und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

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